Sopranistin Rachel Harnisch

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Lisa Della Casa und Rachel Harnisch

NZZ Neue Zürcher Zeitung - Marianne Zelger-Vogt

Nzz 190201 Rachel Harnisch Lisa Della Casa

Die Walliserin Rachel Harnisch war gerade erst geboren, als Lisa Della Casa ihre Karriere beendete. Doch die signierte Porträtfotografie über ihrem Klavier verrät, wie sehr die grosse Kollegin für sie präsent ist. Während ihrer Studienzeit habe sie deren Namen gelegentlich gehört, sich aber nicht weiter über sie informiert. Als junge Sängerin müsse man zuerst sich selber finden, dürfe den Blick nicht zu sehr nach aussen richten. Erst als sie nach ihrem ersten Liederabend in Zürich in einer Rezension las, ihre Stimme erinnere an die Della Casas, hörte sich Rachel Harnisch deren Aufnahmen an. «Es war fast erschreckend, wie sehr sie meinem Ideal entsprach, wie ähnlich ihr technischer Ansatz, ihr Umgang mit der Stimme war, die Art, den Ton mit möglichst wenig Kraftaufwand aus dem Piano zu entwickeln.»

Nach dieser ersten Begegnung hat sich Rachel Harnisch lange keine Della Casa-Aufnahmen mehr angehört, aus Angst, sich beeinflussen zu lassen. Jetzt hat sie sie wieder hervorgeholt. Inzwischen selber arrivierte Sängerin mit pädagogischer Erfahrung, nimmt sie Della Casas Kunst noch differenzierter wahr. «Ich bewundere besonders, wie sie den Ton stets unter Kontrolle hat, sie geht nie an ihre Limiten, es klingt immer natürlich, auch in den höchsten Tönen mühelos. Ihre Stimme ist kein Vulkan, der eruptiv ausbricht, sie überrennt einen nicht, behält immer eine gewisse Reserve, das verleiht ihr etwas Geheimnisvolles, das einen in Bann zieht.»

Kann Lisa Della Casa heute noch ein Vorbild sein für junge Sänger, oder ist ihr Gesangsstil veraltet? «Ihre Portamenti wären sicher nicht mehr möglich, doch das war damals die gängige Praxis. Vorbildhaft bleibt ihre Piano-Kultur. Es ist erschreckend, wie wenig heute darauf geachtet wird. Je lauter, desto besser, heisst allzu oft die Devise. Aber auch an ihrem Umgang mit dem Wort könnte sich die jetzige Sängergeneration ein Beispielnehmen. Das meint nicht allein die Textverständlichkeit, es geht um die Einheit von Wort und Gefühlsausdruck, um das Wort als Gestaltungsmittel des Sängers, um den Farbenreichtum, der sich daraus entwickeln lässt. Lisa Della Casa singt, als rezitiere sie, man vergisst den komplexen gesangstechnischen Mechanismus, der dazu erforderlich ist. Bewundernswert finde ich nicht zuletzt ihre grundsätzliche Einstellung gegenüber ihrem Beruf. Sie hat für ihre Kunst gebrannt, ohne an ihr zu verbrennen.»